ABLEITUNG. WIE WIR ARBEITEN

Jeder Ort hat seine bauliche, soziale und kulturelle Geschichte. Ob diese nun in Form von Überlieferungen, Aufzeichnungen und erhaltenem Bestand sichtbar ist oder nicht, spielt keine Rolle: beim Betrachten des näheren und weiteren Umgriffs, unter Anwendung baulicher Empathie sowie dem Erkennen lokaler Spezifika wird evident, was vorhanden ist und wie weiter verfahren werden kann. Historische, räumliche, typologische und materielle Aspekte sind es, die Ableitungs- und Transformationsprozesse in Gang setzen und begleiten.

Dabei gehen wir aus von dem Gedanken, dass die Beziehungen, in denen ein Objekt steht, ebenso wichtig sind wie das Objekt selbst. Seine Planung gerät, im Zusammenspiel mit der späteren Nutzung, zu einer Selbstbedienung an den Ressourcen Zeit, Ort und Konstruktion. Jede Veränderung kann zum Weiterschreiben heterogener Situationen beitragen und dabei auf den vordergründigen Kontrast verzichten. Assimilation bedeutet bauliches und soziokulturelles Einfügen. Ableitung und Assimilation führen zu einer Architektur der Angemessenheit.

Die weltweite Angleichung unserer Städte durch den vorschnellen Abriss gewachsener Bausubstanz und den unkritischen Import beliebiger Einheitsarchitekturen ist ebenso zu vermeiden wie die Konservierung historischer Altstädte zu sakrosankten Freilicht-Museen. Stadt muss aus dem Geist eines reflektierten Regionalismus weitergebaut, das einzelne Haus aus seinem zukünftigen Kontext heraus entwickelt werden. Gebäude sind eigenständige, zeitgenössische Architekturen und zugleich Interpretationen vorhandener Typologien, überlieferter Traditionen und vorgefundener baulicher Elemente. Sie sind Glieder in einer evolutionären Kette, die die Geschichte eines Ortes transformieren und transkribieren.

„Unsere Zeit ist die ganze uns bekannte historische Zeit. Dieser Gedanke allein kann die Grundlage moderner Baukunst sein. Zweck, Funktion, Preis und all die Notwendigkeiten sind nicht mehr als das verwendete Material, Bedingungen, die aber, auch wenn sie noch so gut verwendet und erfüllt worden sind, mit Architektur nichts zu tun haben, Rohstoffe in der Hand des Künstlers, der sie formt. Aber der Geist ist alles.“

(Josef Frank, 1931)